Im Grunde ist nichts Verwerfliches daran, wenn man als politische Partei der eigenen Klientel im Zuge einer (Wahl-)Veranstaltung das Angebot macht, sie möge doch mitunter kaputte Kleidung oder stumpfe Messer mitbringen, eine Schneiderin vor Ort verrichte kleinere Reparaturen gratis, zudem mache ein Messerschleifer das Küchenwerkzeug kostenlos wieder scharf. Diese Dienste hat die Freiheitliche Partei Österreichs bei ihrer interessanterweise „Heimat-Herbst“ genannten Tour im Jahr 2023 und auch während des EU-Wahlkampfes 2024 ihren Gästen und Anhängern angeboten. Eine feine Sache, möchte man als Hobbykoch oder Volkskundlerin meinen: Der eine braucht scharfe Messer, die andere erfreut sich der Belebung eines traditionellen Handwerks, das vornehmlich von Sinti, Roma und den Jenischen ausgeübt wurde.
Diese Serviceaktion der FPÖ jedoch stieß in der öffentlichen Wahrnehmung auf massive Kritik: Man werbe mit einer „gefährlichen Messerschleifaktion“ („der Standard“, 7. 11. 2023), hieß es, das sei ein „nicht einmal mehr versteckter Aufruf, sich zu bewaffnen“, merkte dazu am 4. 11. 2023 die Pressestelle der SPÖ Kärnten an, und weiters: „Was kommt als Nächstes von der FPÖ? Der Aufruf zum Faustrecht? Zur Selbstjustiz?“ In der „Kleinen Zeitung“ erschien am 30. Oktober 2023 ein Kommentar mit dem Titel „Die FPÖ lässt Messer schleifen – mit verheerender Symbolwirkung“. Ist diese massierte Kritik bloß ein Sturm im Wasserglas, oder lässt sich die mediale Aufregung um diese gekonnte Wahlwerbeaktion nachvollziehen?
Das Zünglein an der Waage ist wohl die Stimmung, die rund um besagten Gratismesserschleifer geschaffen wird, respektive das ihn umgebende Umfeld. Wenn ein solcher auf einem Kirtag sein Geschäft betreibt, wird wohl niemand eine „verheerende Symbolwirkung“ erkennen. Eingebunden in eine politische Veranstaltung jedoch, bei der gegen politische Gegner und Journalisten der freien Presse mit einer gewaltvollen Sprache die Messer gewetzt werden, wo also der demokratische Diskurs an seine Grenzen stößt und Gewaltanwendung als probates Mittel in der politischen Auseinandersetzung in Erwägung gezogen wird, sieht die Sache etwas anders aus.
Hierzu kann man die Aussagen der wahlwerbenden Politiker bei besagten Veranstaltungen nachlesen: FP-Bundesparteiobmann Herbert Kickl reagierte beim „Heimat-Herbst“ 2023 auf einen Kommentar in der „Kleinen Zeitung“, in dem besagte Messerschleifaktion scharf kritisiert wurde, wie folgt: Man könne mit einer gut geschliffenen Schere „eine Zeitung zerschnippeln, die nur Blödsinn schreibt“. Dessen Kollege und FP-Kärnten-Chef Erwin Angerer kündigt laut orf.at im Zuge desselben Events an, man werde die SP-Kärnten-Landesrätin Beate Prettner für angebliche Missstände im Gesundheitssystem „im Landtag herprügeln“. Der oberösterreichische FP-Chef und stellvertretende Bundesparteiobmann Manfred Haimbuchner spricht bei einer Veranstaltung in Micheldorf im Oktober 2023 laut den „Oberösterreichischen Nachrichten“ vor 1000 BesucherInnen eine offene Drohung aus: „Unter einem Kanzler Kickl werden so manche wieder das Benehmen lernen: vom Islamisten zum Journalisten.“ In Seekrichen am Wallersee, Endstation des „Heimat-Herbstes“ 2023, orakelte Kickl in Bezug auf eine mögliche Machtübernahme nach der Nationalratswahl: „Es wird rauschen, und es wird Verletzungen und Verwundungen geben.“ Auf solche Ansagen folgen aus dem Publikum meist begeisterte Jubelschreie, frenetische „Herbert, Herbert“-Rufe und zustimmender Applaus. Man kann es niemandem, der vor Ort darüber berichtet, verdenken, wenn ihn bei solch brachialer Wortwahl Unbehagen beschleicht.
Wenn ProponentInnen einer gewählten Partei, die öffentliche Ämter bekleiden, die Entscheidungen treffen, die nicht nur für ihre Wählerschaft eine Institution und Autorität darstellen und deren Handlungen und Worte für ebendiese Klientel meist unhinterfragte Legitimität besitzen, öffentlich in Bausch und Bogen alle MedienvertreterInnen des Landes mit potenziellen GefährderInnen gleichsetzen, nehmen sie offensichtlich bewusst in Kauf, dass sich einer oder eine aus deren Anhängerschaft legitimiert sehen könnte, IslamistInnen und solchen, die sie oder er dafür hält, respektive JournalistInnen ein nicht näher definiertes Benehmen in welcher Form auch immer beibringen zu wollen. Tätliche Angriffe auf MedienvertreterInnen sind heute keine Seltenheit mehr. Verlagshäuser und TV-Anstalten mussten im Zuge der Berichterstattung über die Corona-Demonstrationen Sicherheitsmaßnahmen für ihre Mitarbeitenden implementieren.
Es muss sich folglich auch dem unbedarftesten Beobachter der Verdacht aufdrängen, man wolle mit dem Messerschleifen eine Botschaft transportieren. Denn wollte man diesen Eindruck vermeiden, hätte man auch einen Schuster engagieren können.