Sprache ist Magie. „Magie ist eine Psychologie/Technologie, die angewandte Wissenschaft, die auf dem Verstehen beruht, wie Energie Muster erzeugt und Muster Energien lenken. (…) Der Kern der Magie ist ein Paradoxon: Bewusstsein formt Realität, und Realität formt Bewusstsein“, schreibt Miriam Simos, besser bekannt als Starhawk.
Im Englischen ist der Zusammenhang zwischen Sprache und Magie noch deutlicher als im Deutschen. „Spell“ bedeutet nicht nur zu buchstabieren, sondern auch, jemandem mit einem Bann zu belegen. Jemandem mit Worten zu verzaubern. Im positiven oder im negativen Sinne: Sprache gestaltet die Wahrnehmung der Realität. Sprachkenner beherrschen das Wissen, dass Sprache das Bewusstsein formt - und wie sich die Emotionen hinter den Worten lenken lassen.
Aus der Praxis: Nimm dir einen Bereich vor, der emotional stark aufgeladen ist. Dann bediene dich eines Wortes und transferiere es von einem Kontext in einen anderen. Denkt man den Kontext sauber und abgegrenzt, kann man ihn mit einem kleinen „Spell“ auch als „Rahmen“ bezeichnen. Dann nimmt man ein Wort wie ein Bild aus seinem gewohnten Bezugs-Rahmen und versetzt ihn in einen anderen. Und schon verändert sich seine Bedeutung. Im Fachjargon nennt man dieses Vorgehen „Reframing“. Das Wort selbst ist ein Zaubertrick, denn es erzeugt die Illusion, dass „Kontext“ etwas Geradliniges, scheinbar mit zwei Parametern, a und b, Berechenbares wäre.
Ein emotional hoch aufgeladenes Thema ist etwa das der Migration. Beim „Unkontrollierten Flüchtlingsstrom“ hat man das „unkontrolliert“ aus dem medizinisch-pathologischen Kontext entführt, wo man etwa unkontrollierte Zuckungen beschreibt – ein physischer Kontrollverlust. Menschen auf der Flucht wurden mit einem verniedlichenden -ling versehen (wie bei Däumling, Feigling, Schwächling) und damit auf eine zu belächelnde Größe geschrumpft. Mit dem „Strom“ hat man sich eines Naturphänomens bedient, das nach dem Bach und dem Fluss das mächtigste Fließereignis darstellt und in der Lage ist, als reißender Strom alles, was fest ist und sicher, mit sich fortzuschwemmen. Und schon suggeriert man einen beunruhigenden Kontrollverlust durch eine qualitativ (das -ling) nicht ganz ernst zu nehmende aber übermächtige, weil unüberschaubare Masse.
Die meisten „Spells“ lassen sich unter eine Handvoll Mythen subsumieren. Der „unkontrollierte Flüchtlingsstrom“ bedient drei davon: den ultimativen Kontrollverlust, der, zu Ende gedacht, zum Tod des Einzelnen oder alle in die Apokalypse führt, den Spaltungsmythos – wir und die (unkontrollierbaren) anderen - und das Herrschaft-Über Paradigma. Ein wie auch immer gearteter „-ling“ steht in der Hierarchie unter dem Sprecher.