1933 – die rechtsextreme NSDAP mit ihrem rechtsextremen Parteiführer Adolf Hitler ist gerade mit Hilfe der konservativen Zentrumspartei an die Macht gekommen – wird das deutsche Strafrecht um den Tatbestand Volksverrat ergänzt. Volksverrat ist demnach „ein unmittelbar gegen das deutsche Volk gerichtetes Verbrechen eines Volksgenossen, der die politische Einheit, Freiheit und Macht des deutschen Volkes zu erschüttern trachtet“.
Gegen das deutsche Volk richtet sich also der Volksverrat. In der globalisierten Wertewelt des rechtsextremen Nationalismus und seiner Verteidiger aller Vaterländer kann man das Wort deutsch getrost ersetzen durch jede beliebige national-besitzergreifende Chiffre: italienisch, spanisch, schwedisch, ungarisch. Volk ist Blut, das eigene. Und Volk ist Boden, selbstredend auch der eigene: America first, la France reste la France. Festung Österreich.
Österreich, immer ein gutes Beispiel. Hier geht man voran, spätestens seit den 1980er Jahren. Und unlängst hat der Vorsitzende jener Partei, die, wenn schon nicht als „gesichert rechtsextrem“, so doch als „rechtspopulistisch mit rechtsextremen Elementen“ zutreffend definiert werden kann, einmal mehr bewiesen, dass das Vokabular des Dritten Reiches noch lange nicht ausgedient hat. Alle seine Gegner, die ihn als Volkskanzler – der Anspruch auf den Funktionstitel Führerkanzler wurde (noch) tunlich vermieden – „verhindern wollen“, mögen sich doch zur Einheitsliste Volksverrat zusammenschließen.
Die Gegner? Das sind die anderen. Die Gegner sind die Systemparteien. Konservative und Sozialdemokraten ebenso wie Grüne und Liberale. Und, so wäre zu ergänzen nach dieser bestechenden Logik, Kommunisten, Bierpolitiker oder Keine von allen. Man soll, bei solchen Aufzählungen, niemandem unrecht tun.
Strafen wird’s freilich auch geben, für die Volksverräter, wenn dann diese ambitioniert tatbestandssetzende Partei einmal so richtig die Macht spüren darf. Und damit sich die Aufgezählten ihrer judiziellen Verantwortung nicht feige entziehen, werden schon jetzt Fahndungslisten in Aussicht gestellt, für den (noch) aktuellen Bundeskanzler etwa, den Vizekanzler oder die Bundesministerin für Europäische Union und österreichische Verfassung.
Die Fahndungslisten der zukünftigen autoritären Autorität, schwarze Listen für politisch Missliebige, werden sich mühelos ergänzen lassen mit weiteren unzumutbaren „Elementen“ außerhalb der verantwortungsvoll eng gezogenen Volksgemeinschaft. Neben den Volksverrätern, die sich durch ihre Untreue gegen das eigene Volk ohnehin selbst mutwillig disqualifiziert haben, sind dies, per se, die üblich Verdächtigen: Homosexuelle sowie andere, gegenderte Unzuverlässige bzw. Undefinierbare, entartete „Kulturschaffende“ ebenso wie geheimbündlerische Freimaurer, Bilderberger und Mikrobiologen. Agenten der Nato-Ukraine, semitische Internationalisten und impfwütige Schulmedizinfaschisten.
Und, ach ja, Migranten! Volksfremde. Oder auch solche, die irgendwann einmal welche waren. Und schon allein mangels ausreichender Autochthonie konsequent rückzuführen sein werden. Bis in die dritte Generation, grundsätzlich, bis in die fünfte, höchstens, man ist, jeder unqualifizierten Anfeindung zum Trotz, Humanist. Identitäre Umvolkungsspezialisten, straff organisiert in „ganz gewöhnlichen NGOs“, werden die Partei ohne System und aller Herzen, weil als einzige übriggeblieben, und deren volkstreuen Behörden gerne mit Rat und Tat unterstützen.
Bis es so weit ist, darf marschiert werden, für das edle Ziel. Mit Stiefel oder Turnschuh, mit Glatze oder brav gepflegtem Scheitel. Und skandiert werden darf auch: Wir sind das Volk!
Tatsächlich? Sind sie das?