„Dieses Land braucht einen Volkskanzler“ verkündet Kickl unaufhörlich, um sodann hinzuzufügen: „keinen Systemkanzler!“ Der Begriff „Volkskanzler“ kommt recht unschuldig daher, weshalb auch demokratische Regierungschefs wie etwa Gusenbauer oder Figl gerne damit kokettierten, denn sie wollten menschennah sein, aber bei Kickl erhält das Wort einen anderen Beigeschmack. Es ist ihm nicht ein persönlicher Auftrag, sondern eine Kampfparole. Er verwendet es, um zu drohen, um – wie er sagt – „Politeliten vom hohen Ross“ herunterzuholen. Ein „Systemkanzler“, der zur Verfassung, zum Rechtsstaat, zum Parlament, zur Republik steht, will er nicht sein. „Volkskanzler“ bezeichnet bei den Freiheitlichen eben nicht einen, der sich nicht zu viel anmaßen möchte, sondern im Gegenteil, einen, der anmeldet, jener zu sein, der für das ganze Volk alleinig sprechen will.
Kein Wunder, wenn Joseph Goebbels diesen Begriff schon verwendete. So nannten die Nazis Adolf Hitler, um dann zu grölen: „Ein Reich, ein Volk, ein Führer!“ „Volkskanzler Kickl“ soll heißen, aufgeräumt werde mit allem, was bisher die Macht des Regierenden einschränkt.
Wenn die Rechtsextremen von einem Kanzler des Volkes reden, dann meinen sie damit eben nicht einen, der für alle in Österreich da sein will, denn es geht ihnen nicht um die ganze Bevölkerung des Landes. Im Gegenteil. Das „Volk“ bezog sich hier nie auf die slowenische Minderheit in Kärnten, nicht auf die kroatische im Burgenland, nicht auf Roma, nicht auf Sinti, nicht auf die jüdische Gemeinde in Wien, aber schielte nach Deutschland und zielte auf Deutsche in Polen oder in der Tschechoslowakei.
In Österreich meinen die Deutschnationalen seit jeher mit dem Volk nicht alle im Land und auch nicht jene, die eine Staatsbürgerschaft besitzen, sondern bloß jene, die ihrem „völkischen“ Denken entsprechen. Womit ausgegrenzt bleiben, die über eine im rassistischen Sinne unpassende Abstammung oder Religion verfügen. Sodann sind dabei jene ausgeschlossen, die in einer anderen Sprache aufwuchsen. Ferner auch diejenigen, die von den Vorstellungen abweichen, die Rechtsextreme vom Geschlecht haben. Letztlich werden damit aber auch all die ausgeschieden, die sich nicht dem völkischen Ungeist fügen, sondern auf eine Gesellschaft der Vielfalt und auf eine Überwindung nationaler Beschränktheit bauen, weshalb sie als „Volksverräter“ gebrandmarkt werden. Diese verquere Logik ist der Grund, weshalb die Rechtsextremen – selbst, wenn die überwiegende Mehrheit einhellig gegen sie ist – behaupten, sie seien die eigentlichen Vertreter des wahren Volkes. Das schillernde Wort „Volk“ im Deutschen färbt so auf den Begriff „Volkskanzler“ ab, denn er will eine „Volksgemeinschaft“ anführen, um die Republik, die Demokratie, den Rechtsstaat und das vereinte Europa zu zerstören.