Herzlich willkommen, wie schön, dass Sie noch einmal hierher gefunden haben. Prinzipiell würden wir Ihnen ja gerne alle 30 Artikel auf der Charta anbieten, aber wir haben nur mehr die kleine Charta.
Immer sehr beliebt und daher nach wie vor aktuell zum Beispiel die Nummer 17, Recht auf Eigentum. Das hat allen Anstürmen Stand gehalten. Und jetzt, wo der kleine Mann selbst an der Regierung ist, da wird es auch fix keine Reichensteuer geben. Jetzt muss ich kurz den Bedarf erheben. Wer wohnt ohnehin in der eigenen Immobilie? Bitte Hand oben lassen, und wer hat Aussicht, eine Immobilie zu erben? Gegenprobe: Wer wohnt in Miete und weiß, das wird auch so bleiben? Bis zur Delogierung halt. Also Ihnen würde ich natürlich besonders gerne eine Portion Nummer 17, Recht auf Eigentum, servieren, aber können Sie sich das leisten? Haben Sie wenigstens etwas auf der hohen Kante? Darauf hat ja schon unser Altkindkanzler aufmerksam gemacht, dass Eigentum vor Armut schützt. Ist ja schließlich auch die einzige funktionierende Variante für die Altersvorsorge. Was kann ich Ihnen sonst anbieten?
Also die Nummern 1 bis 10 sind quasi alle gestrichen, zum Beispiel die Nummer 4, Verbot der Sklaverei, wurde aufgehoben, damit wir Pflegekräfte aus der ganzen Welt importieren können, nicht in Ketten, wie früher, aber mit Kettenverträgen, aus denen es kein Entkommen gibt. Und Familiennachzug natürlich nur für erwachsene Verwandte, wenn die auch sogleich als Pflegekräfte arbeiten können.
Was hätte ich da noch für Sie? Die Nummer 11, Unschuldsvermutung, die gibt’s noch! Gilt sogar rückwirkend bis Ibiza. Da ist schließlich der einzige, der je gesessen ist, nach wie vor der, der damals das Video gemacht hat.
Nummer 12, Recht auf Privatsphäre, das wurde sogar verschärft, Handy Chats dürfen überhaupt nicht mehr ausgelesen und weder vor Gericht noch auf der Bühne zitiert werden. Ausnahme: Als Kabarettist darfst du „Ich liebe meinen Kanzler“ sagen, dann weißt du: Als „Hure der Reichen“ „kriegst du eh alles“. Nummer 14, Asylrecht, brauchen wir gar nicht reden, gestrichen bis eben Nummer 17, Recht auf Eigentum, das ersetzt jetzt so gut wie alle anderen Rechte. Bei der Nummer 26, Bildung, war das schon immer so.
Jetzt muss ich mal schauen, was noch übrig geblieben ist auf der kleinen Charta, also Nummer 23, Recht auf Arbeit, das ist aus. Gibt’s nur mehr als Pflicht zur Arbeit, mindestens 41 Wochenstunden und ohne dieses lästige Beiwerk „begleitende soziale Maßnahmen“. Nummer 24, Recht auf Freizeit und Erholung, das wird komplett gestrichen. Manchmal werde ich ein bisschen nostalgisch, wie war das früher noch, als es Interessensvertretungen gab? Aber mit der ORF Zwangsgebühr sind ja auch alle anderen Zwangsmitgliedschaften abgeschafft worden. Keine Arbeiterkammer mehr, Gewerkschaften sowieso nicht, nur mehr die Industriellenvereinigung, der Bauernbund – für Nicht-Bio Vollspalten Glyphosat Bauern – und die Wirtschaftskammer sind übrig.
Jetzt hätte ich fast übersehen, ich könnte Ihnen ja noch eine schnelle Portion Nummer 19 anrichten. Also einmal Meinungsfreiheit inklusive dem Recht auf unreflektierte Verbreitung in Medien aller Art, da haben wir immer was in der Gerüchteküche. Ich will dann nur nicht hören, dass Sie empfindlich auf Hasskommentare reagieren. Die Herren von der Boulevardpresse haben sich da noch nie beschwert, die veröffentlichen das gerne, genau so wie gefälschte Meinungsumfragen. Also ehrlich gesagt, ich hätte ja schon selbst versucht, eine bessere Bewertung fürs Gasthaus zum Menschenrecht heraus zu holen, aber wenn man sich keine halbseitigen Inserate leisten kann. Ganz im Gegenteil, dann muss ich noch in der Restaurant-Kritik lesen: Menschenrechte, so ein altmodisches Rezept, in weiten Teilen der Welt kennt man das gar nicht, und die chinesische Küche ist immer schon ganz ohne ausgekommen.
Gekürzte Fassung eines Kabarett-Monologs aus dem aktuellen Kabarettprogramm der Autorin: „Links Rechts Menschenrecht“.