Nach Wahlen liest man, der Erfolg rechter Parteien läge daran, dass sie auf die richtigen Themen setzen. Das stimmt und stimmt auch nicht. Um präzise zu sein, sie setzen nicht auf die richtigen Themen, sondern auf die richtigen Emotionen. Nämlich auf Neid, Missgunst, Fremdenhass und irrationale Angst vor dunklen Mächten.
In der EU verhungert niemand, aber die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer. Das hat absolut nichts mit der Migration zu tun, wie die Rechten behaupten, sondern damit, dass die Reichen viel zu niedrig besteuert werden und alle Möglichkeiten haben, ihre Vermögen in Steueroasen zu bunkern oder ihren Einfluss auf Politiker zu nutzen, um Steuern zu sparen. Zudem sind es gerade rechte Parteien, die entgegen allen Beteuerungen den Sozialstaat aushöhlen und die Umverteilung von unten nach oben fördern.
Was nun Gewalttaten und kriminelle Bedrohungen betrifft, vor denen die FPÖ ständig warnt, so gibt der Verfassungsschutzbericht eindeutig Aufschluss darüber, was tatsächlich die Fakten sind: 2023 gab es 97 Straftaten aus dem linken politischen Spektrum. Im Wesentlichen waren dies Aktionen mit antifaschistischem Hintergrund. Dann gab es 152 Straftaten und Anzeigen mit islamistischem Hintergrund. Dem gegenüber stehen 1208 Straftaten aus dem rechten und rechtsextremen Bereich. Also von Freunden der FPÖ wie den Identitären, die Kickl als NGO zu verharmlosen versucht. Dazu kommen noch 36 Fälle aus dem Bereich der Staatsfeinde und Coronaleugner, deren antidemokratischer Hintergrund sich vielfach mit FPÖ-Themen deckt. Dann gibt es noch den hochgradigen Verdacht, dass die rechten Parteien von Putin finanziert werden. Bei manchen ist es ganz offen, wie bei Marine Le Pen, die von Russland einen 40 Millionenkredit bekam, bei anderen gibt es zahlreiche Hinweise, dass Geld geflossen ist. Grund und Geld genug, um den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu verharmlosen und stattdessen die EU als Kriegstreiber zu bezeichnen.
Die Programmierung des menschlichen Gehirns ist ziemlich primitiv. Unser Gehirn neigt nach wie vor dazu, die Welt so zu interpretieren, wie es für das Überleben vor Jahrtausenden am dienlichsten war. Bestimmte basale Reflexe haben Priorität. Deshalb werden Gefahren bevorzugt behandelt und es hat Sinn, auch bei einer nur vermeintlichen Gefahr sofort zu reagieren. Das alles sind uralte Erfahrungen und Reflexe, die die Sozialisation der Menschen im Verlauf von Jahrtausenden gesteuert und organisiert haben und die sich heute noch genauso abrufen und instrumentalisieren lassen. Wir reagieren auf vermeintliche Gefahren oder Gefährder immer noch mit Adrenalinausschüttung, Wut und Aggression. Genau diese unbewussten Ängste, werden durch entsprechende Wahlpropaganda aktiviert: „Heimatliebe statt Marokkanerdiebe“, „Unser Geld für unsere Leut“ etc.
Die Primitivität dieser atavistischen Taktik spiegelt sich auch in der aggressiven Rhetorik und der Rüpelhaftigkeit von Leuten wie Vilimsky und Kickl wider. Faktisch bei jeder Rede zitiert Herbert Kickl „die freiheitliche Familie“ und die dunklen Mächte, die sie bedrohen, ominöse Eliten und die Systemparteien, die die Weltherrschaft anstreben. Ähnlich geht die AfD vor oder Victor Orbans Fidesz-Partei. Während Demokraten, einigermaßen respektvoll vom politischen Gegner sprechen, reden protofaschistische Parteien von „Wahnsinn“ und „Wahnsinnigen“.
Dass das funktioniert, beruht auf der biologischen Grundausstattung unseres Gehirns, das in Jahrmillionen gelernt hat, um zu überleben ist es besser, zuerst zuzuschlagen als nachzudenken. Die moderne Software – genannt Kultur – vermag gegen dieses alte Betriebssystem wenig auszurichten. Wir müssen lernen, die instinktiven Impulse, die unser Gehirn aussendet, zu überwinden, denn wir sind der Geist, der dieses Gehirn nicht nur benutzen, sondern auch kontrollieren kann. Erst dann sind wir weniger anfällig, uns für die Interessen machtgeiler Politiker einspannen zu lassen.