Wörter können spitz wie Lanzen sein, und sie werden auch ganz gezielt wie Lanzen abgeschossen, um zu verletzten. Wörter sind dann schlichtweg nichts als Waffen, auch, um die Demokratie einzuschränken oder gar abzuschaffen, also aus der Demokratie eine Scheindemokratie zu machen.
Wenn man dem Volk die Augen blendet, oder die Augen verbindet, beides, um für Werte wie politische Freiheit, Gleichheit und weitreichende Beteiligung der Staatsbürger blind zu machen, kann ein dem Totalitarismus ähnliches System auch ganz legal an die Macht kommen. Daran gilt es, sich immer zu erinnern.
Eine liberale Demokratie ist ja nicht nur durch allgemeine, freie und geheime Wahlen gekennzeichnet, auch nicht nur allein durch die Gewaltentrennung, sondern vor allem auch durch die selbstverständliche Garantie der Grundrechte. Wie schnell kann die Möglichkeit der freien Meinungsbildung durch gleichgeschaltete Medien eingeschränkt werden! Und sind es nicht immer zuerst die Journalisten und Schriftsteller, die in die Gefängnisse wandern? Also hat das Wort mehr Gewicht, als man glaubt. Schnell folgen dann die Einschränkungen für Wissenschaft und Kunst. Da setzt die Propaganda ja oft schon recht früh an. Dumpfe, herabwürdigende, zersetzende Kritik bereitet den Boden der Intoleranz vor, denn das sogenannte „gesunde Volksempfinden“ war nämlich nur ganz selten wirklich gesund.
Auf jedem Boden geht vornehmlich das auf, was wir säen. Es liegt also an jeder und jedem selbst, welche Saaten gestreut werden, Kräuter oder Unkräuter. Und es liegt an jedem selbst, zu jäten und jene Gewächse nicht groß werden zu lassen, die die guten und nutzbringenden Saaten überwuchern.
In einem Spruchkammerverfahren, das waren Verfahren mit dem Ziel der Entnazifizierung in den drei westlichen deutschen Besatzungszonen nach dem Zweiten Weltkrieg, stellte die Kammer 1947 fest:
„Als 1933 der nationalsozialistische Barbarismus die Herrschaft in Deutschland antrat, war es eine große Enttäuschung, dass die geistige Führerschicht anstatt Widerstand zu leisten, einer nach dem anderen mit dem Nationalsozialismus paktierte. Der Widerstand erlahmte dadurch immer mehr, die Klarsehenden vereinsamten und wurden machtlos. Es besteht zu allen Zeiten und für alle den Durchschnitt Überragenden die Verpflichtung, Vorbild zu sein. Jeder, der seine Leistung und seinen Namen dem Nationalsozialismus zur Verfügung stellte, hat damit eine Schuld auf sich geladen.“
Solche Schuld dürfen wir nie mehr wieder auf uns laden. Die Schuld, nicht Widerstand zu leisten, die Sperre nicht zu zerbrechen, die Wörter nicht behutsam zu wählen, den Dialog nicht zu verlieren, selbst wenn dies nicht immer leicht ist.
Um halbwegs friedlich miteinander leben zu können und um die Demokratie zu erhalten, müssen wir auch vor fremden Meinungen Respekt einfordern, denen die Spitzen der Lanzenwörter beizeiten abbrechen, die damit Unheil anrichten wollen. Wutbürger zerstören nur respektlos in blindem Hass. Da muss sich die Demokratie mit allen Kräften wehren, wenn sie bedroht zu sein scheint. Semper et ubique.