Wer meint, Demokratie sei nur dann etwas wert, wenn sie exakt den eigenen Vorstellungen entspricht, hat das Prinzip ungefähr so gut verstanden wie ein Tourist den Nachtfahrplan der Wiener Linien an einem verlängerten Wochenende.
Demokratie ist kein Wunschkonzert und kein Wirtshaus, in dem nur die eigene Lieblingsmusik aus dem Automaten dröhnt. Sie erinnert eher an einen Gemeinderatsabend im Turnsaal der örtlichen Volksschule: zäh, ein bisschen zu laut, manche reden ununterbrochen, andere beschweren sich über alles; und trotzdem darf jede und jeder etwas sagen. Auch wenn es öfter in den Ohren und dazwischen wehtut. Am Ende geht man heim, fragt sich, ob das jetzt wirklich nötig war und denkt sich: Immerhin, alle hatten die Chance, gehört zu werden. Genau darum geht’s: Die Bühne bleibt offen. Für alle. Nicht nur für die, die am lautesten schreien.
Ja, sie ist langsam. Und manchmal auch nervtötend. Man muss zuhören, abwägen, Kompromisse eingehen. Aber eben das unterscheidet sie von jenen Systemen, in denen einer allein entscheidet und alle anderen sich besser ducken. Die angeblich „effizienteren“ Alternativen setzen oft nicht auf Ordnung, sondern auf Einschüchterung. Und was als „klare Kante“ verkauft wird, ist in Wahrheit oft nur ein Mangel an Geduld und demokratischer Reife.
Die lautesten Kritiker der Demokratie sind in der Regel auch ihre bequemsten Gäste: Sie genießen alle ihre Freiheiten, lehnen aber die Verantwortung ab, die damit einhergeht. Sie fordern Meinungsfreiheit – jedoch nur für die eigene Meinung. Sie wollen gehört werden, doch nicht zuhören. Sie wittern überall Zensur, tragen aber selbst nichts zur Debatte bei außer Misstrauen und Missmut.
Demokratie ist kein Dekoartikel, den man ins Regal stellt und abstaubt, wenn hoher Besuch kommt. Sie will belebt, verteidigt und mitgestaltet werden. Und sie stirbt nicht auf einen Schlag, sondern langsam: durch Desinteresse, durch Vereinfachung und durch das bequeme Gefühl, dass es schon „andere richten werden“.