Das Land Kärnten/Koroška war – kurz und bündig sowie offen gesagt – lange Zeit nichts anderes als slowenenfeindlich. Ich habe es selbst erlebt, weshalb ich früher oft und gern gemeint habe, die Kärntner Landschaft sei zu schön für die Kärntner Wirklichkeit. Wer als vierzehnjähriger Gymnasiast, gemeint bin damit ich selbst, im Autobus zur Schule wegen der slowenischen Sprache beschimpft wird, darf das später sagen.
Wer als vierzehnjähriger Gymnasiast, gemeint bin damit ich selbst, im Autobus zur Schule wegen der slowenischen Sprache beschimpft wird, darf das später sagen. Das Delikate dieser Beschimpfung war, dass sie durch sogenannte dumme Buben aus assimilierten, das heißt ehemals Kärntner slowenischen Familien, wie eine carinthische Selbstverständlichkeit erfolgte. Sie ereignete sich auch, weil zu Beginn der Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts ein Verein, der sich aus eigener Machtvollkommenheit als für den Dienst an der Heimat zuständig erachtete, mein Gymnasium, nämlich das Slowenische[1] in Klagenfurt/Celovec, als „Das große Gift“ bezeichnete, wofür sich diese Vereinigung bis heute nicht entschuldigt hat. Als Absolvent dieser Anstalt warte ich nach wie vor auf eine angemessene Abbitte. Es ist ein Warten wie jenes auf Godot …
Den Slowenen wurde – meist von assimilierten und sehr nationalen Dummköpfen – immer wieder ein deutschtümelnder Rat erteilt: „Horuck über’n Loibl!“ Oder von einem Preisträger nobler ausgedrückt: „Einer Minderheit bei uns, die eine slawische Sprache von Kind auf gelernt hatte, wurde von uns andern geraten, doch in das Land zu gehen, wo die Mehrheit diese Sprache spreche.“ (Peter Handke: 1957. Die Sprachen. In: Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms. Suhrkamp Verlag, suhrkamp taschenbuch, Frankfurt am Main 1972, S. 13.)
Zum ersten Mal bewusst wahrgenommen habe ich dieses kriminelle Deportationsmotto anlässlich einer Demonstration für die Rechte der Kärntner Slowenen in Klagenfurt, die im Herbst 1975 stattgefunden hat, als Kärntner slowenische Vereinigungen einen Protestmarsch für die Rechte der Volksgruppe organisiert und viele deutschsprachige Frauen und Männer teilgenommen haben, unter anderem der Künstler Werner Berg. Die Nicht-Slowenen, die mitmarschiert sind, haben wir Demokraten genannt, weil sie für unsere Rechte, insbesondere nach dem Artikel sieben des Staatsvertrags[2]von Wien eingetreten sind.
Der Demonstrationszug hat vom Bahnhof bis zum Amt der Kärntner Landesregierung geführt, wo verschiedene Redner aufgetreten sind. Die Demonstranten und Redner standen auf der Bahnhofstraße und dem Arnulfplatz vor der Landesregierung.
An den Rändern, zu denen sie von Polizisten scheinhalber abgedrängt wurden, riefen nationale „Gegen“demonstranten in die demokratische Menge ohne Unterlass: „Horuck über’n Loibl!“, einige, bei denen die Assimilation noch im Gang war, schrien sich mit „Horuck iban Lojbel!“ heiser. Beide Brüllgruppen wollten die Kärntner Sloweninnen und Slowenen frank und frei über den Grenzpass[3] zwischen Kärnten und Slowenien beziehungsweise Österreich und Jugoslawien verdammen, um das Land „slowenenfrei“ zu machen.
Dieses besonders miese Deportationsmotto habe ich danach jahrzehntelang bei verschiedenen antislowenischen Ausschreitungen in Kärnten immer wieder gehört. Nach und nach eingedämmt wurde es erst, als im Jahr 2011 der konsequente Bundesminister Josef Ostermaier unter Assistenz des Landeshauptmanns Gerhard Dörfler in Kärnten endlich zweisprachige Ortstafeln aufgestellt hat.
Mir klingt das Horuck noch heute in den Ohren, zumal eine Assoziation unausweichlich ist, nämlich jene mit der nationalsozialistischen Deportation[4] der Kärntner Sloweninnen und Slowenen im Jahr 1942. Damals sollten alle Slowenen ausgesiedelt werden und nie mehr zurückkommen. Nach dem Niedergang der Nazidiktatur konnten sie zurückkehren. In verminderter Zahl. Viele haben die Aussiedlung in die und in der Fremde nicht überlebt.[5]
Und der Treppenwitz der Geschichte: Die Kärntner Slowenen[6] siedeln im Land ungefähr vierhundert Jahre länger als ihre deutschsprachigen Landsleute.
[1]https://www.slog.at/home_de 22.09.2024
[2]https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96sterreichischer_Staatsvertrag 21.09.2024
[3]https://de.wikipedia.org/wiki/Loiblpass 22.09.2024
[4]https://de.wikipedia.org/wiki/K%C3%A4rntner_Slowenen 20.09.2024
[5] Janko Ferk: 1938 now. In: Josef Haslinger (Hrsg.): Rot-Weiss-Buch. Gangan Verlag, Graz–Wien 1988, S. 96 – 97.
[6]https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_K%C3%A4rntens 21.09.2024