Ohne das Gesinde, das am Hof der reichen Bauern geschuftet hat, ohne die Dienstboten, die in den Bürger- und Adelshäusern vergangener Jahrhunderte für den klaglosen Ablauf des Alltagslebens gesorgt haben, wäre es der Herrschaft schlecht ergangen. Der Herrschaft war selbstverständlich bewusst, wie weit sie sozial, ökonomisch, moralisch, in Bildungsfragen und bezüglich der Kultiviertheit über dem Gesinde stand. Wahrscheinlich ist es ja doch das Glück der Tüchtigen, das bereits bei der Geburt bestimmt, ob Einem goldene Löffel auf dem weiteren Lebensweg blinken oder ob man den Holzlöffel in die Gemeinschaftsschüssel tunkt und hofft, satt zu werden.
So war das einst. Als noch der Terminus „Gesinde“ in Gebrauch war. Ein einziger Konsonant hat in der Folge buchstäblich einen fatalen Bedeutungswandel verursacht. Aus dem Gesinde wurde das „Gesindel“ bzw. „G’sindl“, zu dem man in schillernden Synonymen auch „Ruß“, „Pack“, „Bagage“, „Pöbel“, „Geschmeiß“, „gesellschaftlicher Bodensatz“ sagen kann, so man sich nicht in die Begrifflichkeit des „Untermenschentums“ begeben mag – so weit muss es dann ja schließlich nicht gleich gehen, nicht zwingend, nicht bei allen, die sich immer noch als Herrschaft begreifen.
Hatte man für das Gesinde ehedem noch Verwendung, so kann man das „G’sindl“ aktuell gar nicht brauchen, denn der Bedeutungswandel des Wortes insinuiert nicht nur den Pöbel, mit dem die Elite auch nicht im selben Beförderungsmittel zu verreisen gedenkt (© Thomas Schmid), sondern schürt auch die Angst vor Kriminellem, das dem „Pack“ potentiell innewohnt, und der Armut, die bekanntlich ansteckend, also kein soziales, sondern ein medizinisches Problem ist, vor dem sich jene, die es sich leisten können, zu schützen wissen – nicht in der Bekämpfung der Ursache, sondern qua Immunisierung durch die Ökonomie.
Was ist also davon zu halten, wenn im politischen Sprachgebrauch – und dabei ist völlig unerheblich, ob dieser nun PR-wirksam, halböffentlich oder hinter verschlossenen Fraktionstüren erfolgt, denn die Intention zählt – vom G’sindl, gar vom roten, die hässliche Rede ist? Es ist nicht nur nichts davon zu halten, es ist beschämend, einer Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner unwürdig, es ist ein bisserl mehr als „schlechter Stil“ – es ist Hatespeech, das Evozieren von Bildern, die in Diktaturen ihren propagandistischen Ungeist entfalten – aber in Demokratien nichts verloren haben.