Okay, okay, eigentlich sind hier demokratiefeindliche Begriffe gefragt. However, ich kann nicht anders, als über einen demokratiefördernden Begriff zu schreiben: Ambiguitätstoleranz.
Sperriges Wort. Schon klar. Aber ein Schlüsselwort. Ein Zauberwort. So, wie vor fünfzehn Jahren im Zusammenhang mit Kommunikation und Information kaum jemand etwas mit den algorithmischen Begriffen Echokammer oder Blaseanzufangen wusste, so ist es jetzt mit dem Begriff Ambiguität: Mehrdeutigkeit. Aber Ambiguitätstoleranz ist das Wort der Zukunft.
In einer Demokratie ist es gut, zu verstehen, dass Dinge auf den ersten Blick oft zwar ganz eindeutig links oder rechts, oben oder unten, spitz oder stumpf zu sein scheinen, dass ihnen diese Eindeutigkeit auf den zweiten Blick aber mitunter abhandenkommen kann. Ja mehr noch, dass sie oft richtiggehend doppeldeutig sind. Das mag unser ordnungsverliebter Verstand zwar gar nicht – klare Verhältnisse müssen her, einfache Antworten: „Wo kämen wir denn da hin!“ Aber der undifferenzierte Blick spaltet. Er befeuert Überheblichkeit, Engstirnigkeit, Gegnerschaft.
Mehr Toleranz der Uneindeutigkeit? Genau. Nicht laut nur oder leise – ganz viele Zwischentöne! Nicht weiß nur oder schwarz, nein bunte Farben! Worte und Standpunkte können besserwisserisch und intolerant dazu missbraucht werden Lager zu bilden – oder sie werden zuhörend, Einblick nehmend, dazu benutzt, Brücken zu bauen. Vieles kann von mehreren Perspektiven aus betrachtet werden, hat verschiedene Seiten, ist ambig.
Dafür geschärftes Bewusstsein bedingt mehr Verständnis, mehr Verständnis schafft mehr aufeinander Zugehen, mehr aufeinander Zugehen führt leichter zu gemeinsamen Lösungsansätzen, mehr gemeinsame Lösungsansätze bringen mitunter mehr Frieden.
Differenziertheit. Diversität. Demokratie. Ambiguitätstoleranz ist das Wort der Zukunft.
Ein Wortungetüm zwar, aber auch eine Wohnungstür. Dran hängt ein Schild:
„Schuhe und Vorurteile bitte draußen lassen,
Ambiguitätstoleranz stets gern willkommen!“