Es war bei einer Lesung vor Studenten im Juridicum. Die Studenten waren sonderbar verkleidet, trugen ein Kappi und eine Schärpe. Aber ich war jung und unwissend. Nicht einmal als das Wort „schlagende Verbindung“ fiel läuteten bei mir die Glocken. Nach der Lesung sagte der Oberstudent: „Hey, komm doch noch mit uns in den ’Keller‘“.
Ich dachte das wäre eine Metapher, aber Irrtum. Ein echter Keller wartete mit einem riesigen Kühlschrank voller Bier auf uns. Als die Atmosphäre lockerer wurde, teilten mir die Studenten mit, dass sie in Wirklichkeit „Füchse“ seien. Sollte ein Fuchs unerwartet sterben, müssten die anderen Füchse den Säbel über das Knie brechen und auf seinen Sarg werfen.
Auf meinen Einwand, dass die Füchse nicht krank aussahen und überhaupt erst 25ig waren, erntete ich bedeutungsschwangeres Schweigen. Gegen Mitternacht wankte der Oberfuchs heran. Er nahm neben mir Platz und fragte mit einer Demut, die mich verlegen machte:
„Sag mal du bist ein Schriftsteller. Kann ich dich was fragen?“
„Was immer du willst“, liess ich vier Biere aus mir sprechen.
„Sag mir bitte. Was ist der Sinn des Lebens?“, Seine Puppilen strahlten mich an wie Scheinwerfer. Wenn jemand so unerwartet sein Herz öffnet, darf man keine falsche Bewegung machen. Und dieses Herz stand offen wie ein Scheunentor. Ich bewegte meinen Mund wie ein Karpfen, der plötzlich aus dem Wasser genommen wurde. Woher zum Teufel sollte ich wissen, was der Sinn des Lebens war?
Der Oberfuchs nahm meine Ratlosigkeit nachdenklich zur Kenntnis, schloss die Augen und schlief friedlich an meiner Brust ein. Jahre später sah ihn im Fernsehen wieder. Er war wie ausgewechselt. Selbstsicher sprach er in die Kamera über die Bedrohung unserer Identität durch Fremde. Ein Kerl aus echtem Fleisch und Blut. Offenbar war jemand inzwischen mit seinem Herz nicht so zimperlich umgegangen wie ich. Und dafür gab es einen Preis. Er wurde zum Vizechef der österreichischen FPÖ gewählt.