Der Beitrag von Sven Hartberger, ist ein Aufschrei gegen zahlreiche Missstände unserer Zeit. Als solcher ist er verständlich und nachvollziehbar. Den Ärger über diese Missstände aber zu einer Anklage gegen die Plattform Der Wert der Demokratie umzumünzen, ist formal und inhaltlich unzumutbar – weil falsch.
Die Plattform Wert der Demokratie will zur Klärung einer Kommunikation beitragen, die sich „für die Demokratie und die Menschenrechte“ einsetzt. Wirkungen von Begriffen, die, ob es den Sprechenden bewusst ist oder nicht, der Demokratie schaden, sollen ‚entgiftet‘ werden. Und zwar eben nicht, indem sie verboten oder abgeschafft werden, sondern indem ihre toxische Wirkung aufgezeigt wird und dadurch hoffentlich ein Stück weit neutralisiert werden kann.
Die Geschichte lehrt uns die Unaufschiebbarkeit dieses Anliegens. Um für Zerstörung, Krieg und Massenmord eine Atmosphäre der Zustimmung erzeugen zu können, gründete Joseph Goebbels schon 1933 das Propaganda-Ministerium, dessen Aufgabe es war, die „geistige Mobilmachung“ der Bevölkerung mittels autoritärer Sprachregelungen zu bewerkstelligen. Massive Desinformationen, Täuschungen und Lügen gehörten dann in wachsendem Maß zum Alltag. Alles Vorgänge, die wir auch heute mit Besorgnis beobachten.
Die Wissenschaften bestätigen uns, dass Sprache erhebliche Wirkung haben kann. Der Arzt und Neurobiologe Joachim Bauer stellt fest: „Da unser Gehirn Kommunikation in Biologie verwandelt, können Worte – dies lässt sich wissenschaftlich einwandfrei nachweisen – auf die gleichen biologischen Rezeptoren einwirken wie Medikamente.“ – Aus dieser Perspektive betrachtet wären die Plattform Der Wert der Demokratie -Artikel eine Art Beipackzettel über unerwünschte Nebenwirkungen des jeweiligen Worte-Medikaments.
Es geht der Plattform Der Wert der Demokratie eindeutig nicht darum, „alles Ekelhafte, Widerwärtige, Asoziale, Bösartige oder sonstwie nicht Wünschenswerte […] zu verbannen“, wie im Artikel von Hartberger behauptet wird. Es geht um ein Klären der Begriffe. Denn nur mit klaren, verbindlichen Begriffen können Inhalte sinnvoll diskutiert werden. Wenn Gutmensch plötzlich so verwendet wird, als hieße es Blödmensch, weil jemand „die anderen nicht ernst“ nimmt (Christoph Janacs) oder wenn mit dem Satz „Das wird man wohl noch sagen dürfen“ (Manfred Koch) eine Atmosphäre der vorgeblich unschuldigen Boshaftigkeit bedient wird, so sollen diese Wirkimpulse bewusst und dadurch möglichst unwirksam werden. Petra Ganglbauer betont: „Wie wir (…) wissen, beginnt (fast) alles mit der Sprache.“ Elfriede Hammerl z. B. zeigt „einen Missbrauch des demokratischen Begriffs der freien Wahl“ auf; und so weiter.
Die einzige Überlegung, die Herr Hartberger in Richtung Sprache anstellt, ist eine Befragung eines Begriffs mittels seiner selbst, nämlich, „ob das Wort von den demokratiefeindlichen Begriffen nicht selbst ein demokratiefeindlicher Begriff“ wäre. (Die Diskussion, wann Wort und Begriff austauschbar sind, und wann nicht, spare ich hier aus.) Darauf gibt es zwei grammatisch mögliche Antworten: ‚Ja, demokratiefeindliche Begriffe ist ein demokratiefeindlicher Begriff‘; oder ‚Nein, demokratiefeindliche Begriffe ist kein demokratiefeindlicher Begriff‘. Beides ist Unsinn, weil schon die Frage tautologisch ist. Eine Analogiebildung dazu wäre: Sind Nasen eine Nase? Mögliche Antworten: Ja, Nasen sind eine Nase; oder: Nein, Nasen sind keine Nase. Das wäre im Dadaismus eine interessante Vorgabe, als Diskussionsbeitrag funktionieren Tautologien nicht.
Begriffe sind durch den vereinbarten Gebrauch in ihrer Bedeutung festgelegt. Wenn Herbert Kickl meint, er hänge sich den Begriff rechtsextrem wie einen Orden um, dann tut er das, nachdem er den festgelegten Inhalt des Begriffs – ultranationalistisch, faschistisch, neonazistisch, gewaltbereit und Geschlechterhierarchie fordernd – ins Lachhafte gezogen und das Wort als zur bürgerlichen Mitte gehörig erklärt hat. Wer solcherart die Verbindlichkeit von Begriffen auslöscht, erhebt sich zum Diktator: Es gilt das, was er sagt, ungeachtet dessen, was davor vereinbart war.
Den Beiträger^innen der Plattform Der Wert der Demokratie geht es auch darum, hellhörig zu machen, was Sprache sagt – versus was die Sprechenden eventuell gemeint haben wollen. Nehmen wir das Wort Bevölkerungsaustausch. Wenn wir die österreichische Bevölkerung nach Jordanien verfrachten und die jordanische Bevölkerung nach Österreich, dann wäre das ein Bevölkerungsaustausch. Das ist aber nicht gemeint. Dann sollen aber die, die diesen Begriff verwenden, sagen, was sie meinen: Einige von ihnen meinen tatsächlich, sie würden am liebsten ein bis zwei Millionen Österreicher^innen dazu zwingen, das Land zu verlassen; was nicht nur verfassungswidrig und unmenschlich wäre, sondern auch die Wirtschaft zum Erliegen brächte.
Herr Hartberger behauptet in seinem Artikel, es gehe der Plattform Der Wert der Demokratie um die „Durchsetzung menschenfeindlicher, asozialer, hetzerischer, rassistischer, amoralischer, antieuropäischer, nationalistischer, sexistischer und anderweitig widriger Konzepte“. Den Beleg für diese sehr extreme Anklage liefert er nicht. Er belegt auch nicht, wo er die „Verbannung einer großen Zahl von brennenden Anliegen“ durch die Plattform Der Wert der Demokratie zu finden meint.
Wenn Sven Hartberger über die Notwendigkeit von besserer Bildung oder über andere Anliegen reden will, bleibt ihm das unbenommen. Das bräuchte aber ein anders gewidmetes Diskussionsforum.