Drei französischen Journalisten haben mich aus meinem Winterschlaf gerissen. Er, der Schlaf im Winter, gehört ja qua Natur zu mir. Man muss wissen, dass ich eine Schnecke bin. Zum Überwintern bilde ich eine Kalkschicht, die meinen Aus- und Eingang abdichtet, restlos verschließt.
L´escargot, maskulin die Schnecke, la cagouille, die Schnecke, ebenso französisch, aber feminin. Blöd nur, ich bin keine Schnecke, ich bin ein Mensch. Ich vergleiche mich seit ein paar Jahren mit einer Schnecke, weil ich eine Politphobie entwickelt habe. Die gehörte wohl behandelt, aber um Himmels Willen, von wem hier?!
Im Jahr 2000 war ich regelmäßig auf den Donnerstag-Demos und im Jahr 2025 vergleiche ich mich mit einer Schnecke. Ich bin jedoch nicht nur ein Mensch, ich bin Schriftstellerin. Gut, für irgendeine nachhaltige Aktion bin ich zu unbedeutend, aber was haben die bedeutenden Kollegen und -innen denn nachhaltig bewerkstelligt? Das soll jetzt bitte weder als Bewertung der Bedeutenden noch als Entschuldigung „meinereiner“ verstanden werden.
Ratlos, sprachlos bin ich. Punkt. Der Beitrag des Magazins „Der Spiegel“ hat mich aus meinem Schneckenhaus katapultiert: „Drei französische Journalisten haben bei einem Stammtisch der rechtspopulistischen FPÖ im Wiener Stadtteil Simmering am 8. Jänner heimlich gedreht. Das Material liegt der österreichischen Tageszeitung „Der Standard“ vor.“ Die Stammtischler nennen die ÖVP machtgeil und sonst noch einiges, treten verbal gegen die EU und teilen gegen Migranten und Migrantinnen aus, finden die Methoden der Taliban in Afghanistan empfehlenswert, etc. Sie, die der ÖVP Machtgeilheit vorwerfen, reden ganz unverfroren von der eigenen Macht und Stärke, und wie sie sich durchsetzen werden.
Simmering kenne ich nur von den Gasometern, die als Baudenkmäler zu einer interessanten Wohnanlage umfunktioniert, besser gesagt gestaltet, nachhaltig urbanisiert worden sind, jedenfalls echt sehenswert, salopp formuliert.
So eine Partei, die das Stammtischlern zum Programm hat, hat nun die „Leadership“, die nennen „das“ schon Führerschaft bei den Regierungsverhandlungen.
Und jetzt strecke ich verstört meine Fühler aus – ich kann das Schneckische nicht bleiben lassen – und schaue verstört um mich. Eigentlich sehe ich nur Schneckisierte rundum. Wenn die im Frühling alle beginnen ihre Schleimspur zu ziehen, dann wird mir noch vor mir selber schlecht werden, die das österreichische Leben zur Schnecke gemacht hat.