Den Satz „Leistung muss sich wieder lohnen“ hat so gut wie jede Partei in ihrem Programm. Parteien wie die ÖVP und FPÖ und auch die NEOS knüpfen den Leistungsbegriff auch gerne an das Zu- oder Aberkennen von Sozialhilfen. Die ÖVP titelt in ihrem Grundsatzprogramm etwa sehr direkt: „Wer arbeiten kann, soll arbeiten!“
Rechte und oder neoliberale Parteien fordern gerne Leistung von ihren Wähler:innen ein, setzen Leistungsbereitschaft als Voraussetzung für Hilfen, vor allem bei eingereisten oder schutzsuchenden Personen. Was mich daran am meisten aufregt ist nicht nur, wie unfair diese Forderung ist, wenn sie von jemandem kommt, dessen Job im Grunde nur aus Meetings besteht, von jemandem der Chauffeure und Wohnungen durch seinen Job gestellt bekommt, bis an sein Lebensende und fünfmal darüber hinaus finanziell abgesichert ist und dann von anderen Leistung fordert. Sondern was mich noch mehr aufregt ist die grundlegende Fantasielosigkeit hinter solchen Leistungsforderungen.
Ich bin kein Experte aber ich versuch mich mal in einer einfachen geschichtlichen Einordnung powered by Wikipedia: Mit der Industrialisierung setzte in vielen europäischen Ländern ein Arbeitstag von teilweise über 16 Stunden ein. Erst Ende des 19. Jahrhunderts gab es erste wirksame Bewegungen die Arbeitszeit zu verkürzen. Ab 1955 wurde zum Beispiel in der BRD die Fünf-Tage-Woche eingeführt. 1965 dann die 40-Stunden-Woche. Seitdem gab es in einigen Bereichen sogar noch weitere Verkürzungen. Seit Ende der 1990er Jahre findet aber wieder ein umgekehrter Trend statt. In Deutschland wurde die Woche für Beamte teilweise auf bis zu 42 Stunden erhöht. Und die WKO feierte 2018 die Einführung der Höchstarbeitszeit von 12-Stunden pro Tag in Österreich bekanntermaßen mit dem Musikvideo „Willkommen in der neuen Welt der Arbeit“.
Man hat das Gefühl, diese Leute wollen alle zurück in die frühen Stadien der Industrialisierung und flippen bei jeder auch nur vorgeschlagenen Arbeitserleichterung völlig aus. Ich bin mir sicher, dass auch die Abschaffung der Kinderarbeit zu ihrer Zeit höchst umstritten war.
Was ich daran so deprimierend finde, ist, dass diese Einstellung zu Arbeit und Leistung verschleiert, wieso wir eigentlich arbeiten. Wir arbeiten um leben zu können. That’s it. Arbeit ist nur ein Mittel zum Zweck, wird aber von neoliberalen Parteien so dermaßen fetischisiert, dass man das Gefühl bekommt, das bloße Stresshaben und Sich-Abplagen hätte irgendeinen intrinsischen Wert. In vorindustrieller Zeit arbeitete man so lange die Sonne schien, so lange es noch Sinn machte sich um das Essen zu kümmern. Wenn man genug Essen hatte, hörte man normalerweise auf zu arbeiten. Und ich will damit wirklich nicht sagen, dass wir dorthin zurück sollten, aber es sollte doch zu denken geben: Bei all den technischen Fortschritten, die es seitdem gegeben haben, bei all den Maschinen, die einem die körperliche Schwerstarbeit abnehmen können, wieso zum Teufel soll dann noch irgendjemand 40 Stunden im Büro sitzen? Wieso hat all diese Technik über die Jahrzehnte nicht dazu geführt, dass wir immer weniger arbeiten? Wieso fühlt es sich seit einigen Jahrzehnten sogar so an, als würde es wieder mehr? „Leistung muss sich wieder lohnen“ schön und gut. Klar, Arbeit sollte fair bezahlt werden, sicher. Aber wo bleibt die Forderung nach: „Weniger leisten!“. Das sollte doch eines der Hauptziele einer jeden Gesellschaft sein: Weniger Arbeit.
Weniger schuften. Mehr Freizeit. Mehr Zeit für Sozialkontakte, fürs Spielen, für sinnlose, unaufgeforderte Kunst einfach so von sich heraus, als Selbstzweck. Wer fordert, dass irgendjemand mehr arbeiten sollte, offenbart sich dabei auf die allerpeinlichste Weise als fantasieloser, rückwärtsgewandter Menschenfeind, als Leistungsfetischist, als jemand der andere Menschen gerne leiden sieht. Wer es nicht für etwas Gutes hält, keine Arbeit zu haben, der versteht nicht, was Arbeit bedeutet. Leistung darf sich nicht mehr lohnen.
Arbeitslosigkeit sollte gefeiert werden, nicht dämonisiert. Faulheit muss Tugend werden.