Im Europa des zwanzigsten Jahrhunderts wurde viel verkauft und im einundzwanzigsten auch und manchmal für blöd und alle großen Führer waren talentierte Verkäufer und darum ging es doch. Und irgendwann erfand man den freien Markt und Angebot und Nachfrage und so weiter und im Grunde hieß das nur, dass jeder alles tun konnte, was er wollte, solange er jemanden fand, der genau dafür den Kopf hinhielt. Und manche Europäer waren ausgesprochene Pessimisten und die nannte man Konsumenten und andere wiederum waren überzeugte Optimisten und die nannten sich Produzenten und Abteilungsleiter und Direktoren und Exzellenzen und so weiter und irgendwann erfand eine Gruppe junger Menschen den Konsumentenschutz und von da an sollte alles besser werden – tat es aber nicht.
Und europäische Männer waren optimistischer als ihre Frauen, was daran lag, dass sie über mehr Ratio verfügten und von Haus aus mehr Muskeln hatten und Testosteron und das war eben „Rock“. Und die Frauen trugen Röcke und waren emotionaler und hatten mehr Fett und Östrogene und das war dann „Blues“ und viel mehr gab es da nicht zu verstehen.
Und in der Festung Europa haben sie ganz viele Redensarten und Sprichwörter und es heißt etwa „Tüdrukuna tui, naisena nui“ (Als Mädchen eine Taube, als Frau ein Knüppel) und „Adel is eene dunne schotelspijs“ (Adel macht den Kohl nicht fett) und „Nie dba orzel o muchy“ (Adler fangen keine Fliegen) und „El aguila no se divierte noc cazar mosquitos“ (Ein Adler macht sich nichts aus Moskitos) und „Animus excelsus res humiles despicit“ (Ein erhabener Geist verachtet niedrige Dinge) und „Qui mal commence, mal achève“ (Böser Anfang, böses Ende) und „Gonosz eredetnek gonosz a vege“ (Schlechter Anfang, schlechtes Ende) und „Il buon marinaro si conosce al cattivo tempo“ (Den guten Seemann erkennt man beim schlechten Wetter) und „Niemiec jest wysoki jak topola, ale glupi jak but“ (Der Deutsche ist groß wie eine Pappel, aber dumm wie eine Bohne) und „Gajah tu mati, tapi tak seorang pun temui belalainya“ (Der Elefant stirbt, aber niemand findet seinen Rüssel) und „Can que muerde no ladra en vano“ (Der Hund, der beißt, bellt nicht grundlos) und „Chien qui veut mordre n’aboie pas“ (Hunde, die bellen, beißen nicht) und „No one is born as master“ und „La sagesse vient avec les emplois“ (Übung macht den Meister) und „Quien del alacrán es picado, la, sombra le espanta“ (Wen der Skorpion gestochen hat, der fürchtet sich vor dem Schatten) und „Kadin yataka, bebek besikte sevelir“ (Die Frau liebkost man im Bett, das Kind in der Wiege) und „Femme aime comme elle peut et homme comme il veut“ (Die Frau liebt mit dem Herzen, der Mann mit dem Kopfe) und „Eine wilde Gans legt nie ein zahmes Ei“ und „Ütsindä susi om õnnekap“ (Allein ist der Wolf glücklicher) und „Vaene rott, kel üks auk“ (Arm ist die Ratte, die bloß ein Loch hat) und „In a calm sea every man is a pilot“ und „A vieille mule, frein doré“ (Altem Esel schöner Sattel) und „Om sa fi nu neamt“ (Sei ein Mensch, kein Deutscher) und so weiter.
Neu arrangiert aus: Michael Stavaric: „Europa – eine Litanei“, erschienen im Kookbooks-Verlag 2005