Wörter sind per se selten gut oder böse, sondern erhalten ihre Bedeutung und Sinngebung meist durch den Kontext ihrer Verwendung. Selbst scheinbar harmlose oder sogar positiv besetzte Begriffe können auf üble Weise eine Umdeutung erfahren. So kann und soll eine Behandlung im medizinischen Sinn heilsam und gesundheitsfördernd wirken gegen Erkrankungen aller Art. Behandeln lässt sich auch ein Thema, z.B. in einem Gremium oder in einem Essay, und wie man einander behandelt, meint, wie man miteinander umgeht.
Allerdings kann die Empfehlung zu einer Behandlung durchaus diffamierenden Charakter aufweisen. So etwa, als Elfriede Jelinek die Ehrenbürgerschaft der Stadt Wien als Statement gegen „Normalitätsterroristen“ annahm. Daraufhin fühlte sich der Wiener FPÖ-Kultursprecher Stefan Berger bemüßigt, die Kritik von Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek als Symptom einer kranken Psyche zu pathologisieren: „Wer nur mehr Protofaschisten, Neofaschisten und Neonazis sieht, braucht keine Ehrenbürgerschaft, sondern eine umfangreiche Therapiemöglichkeit“, meinte Berger. Das impliziert eine Nähe zu totalitären Systemen, in denen die Psychiatrie dazu missbraucht wird, missliebige Kritiker mundtot zu machen und seelisch zu brechen.
Dazu passt auch das unsäglich-unselige Zitat, dass, wer Visionen habe, einen Arzt brauche. Diese Behandlungsempfehlung wird einigen namhaften Politikern der Vergangenheit zugeschrieben, die, man staune, dem linken Lager angehörten. Und von Herbert Moritz, einstiger sozialdemokratischer österreichischer Minister für Unterricht, Kunst und Sport wird der Ausspruch überliefert, Thomas Bernhard sei „ein Fall für die Wissenschaft, aber nicht nur für die Literaturwissenschaft“.
Besonderen Behandlungsbedarf sieht die Politik immer wieder bei den Medien. „Journalisten, die eine politische Gesinnung vertreten, werden zu politischen Akteuren und sind als solche zu behandeln“, meinte Bernhard Ebner, Landesgeschäftsführer und Mediensprecher der ÖVP Niederösterreich, in einer Aussendung. Welcher Art diese Behandlung zu sein hätte, wird nicht ausgeführt. Aber wer als zu Behandelnder gilt, hingegen ganz konkret am Beispiel von Florian Klenk. Der „Falter“-Chefredakteur bezeichne sich selbst als links, somit sei er ein politischer Akteur „und so zu behandeln“. Rechte Gesinnung scheint weniger problematisch, ein ÖVP-Parteibuch hat wohl noch keinem niederösterreichischen Journalisten geschadet bzw. keinen Behandlungsbedarf gezeitigt.
Das Verhältnis der ÖVP zur Presse war immer schon eher getrübt. Fast schon legendär ist ein Interview des ehemaligen Landeshauptmanns Erwin Pröll mit Armin Wolf im ORF im Jahr 2017 über Prölls Privatstiftung. Pröll reagierte extrem gereizt auf Wolfs insistierende Fragen und ließ sich schließlich zu der Drohung hinreißen: „Das kommt ohnehin noch zum Chef!“
Ein bekannt gewordener interner Gesetzesentwurf des ÖVP-Parlamentsklubs 2024 hätte Haftstrafen für Journalisten vorgesehen, die über laufende Korruptionsverfahren und andere heikle gerichtliche Ermittlungen berichten. Nach heftigen Debatten innerhalb der Regierung wurde der Entwurf gekübelt.
Zurück zur Behandlung, die in Form einer „Sonderbehandlung“ in der NS-Zeit besonders zynisch tatsächliche Handlungen verschleiern sollte: als Code- und Tarnwort für Vernichtung und Ermordung von Oppositionellen und rassisch Unerwünschten. Der FPÖ-Politiker Gottfried Waldhäusl forderte 2018 eine Sonderbehandlung für nicht integrationswillige Asylwerber und distanzierte sich erst nach erheblichem Wirbel von seiner Formulierung.
„Und wer nicht spurt, der hat in diesem Land nichts verloren“: O-Ton Herbert Kickl, FPÖ-Bundesparteiobmann, am 6. Oktober 2024. Deutlicher geht es nicht. Wer nicht spurt, sich nicht beugt, fügt, nicht Gehorsam leistet, wird entsprechend behandelt. Da geht es gar nicht mehr um Ausländer, die sich unserer Lebensart nicht anpassen wollen, oder um Kriminelle, die unsere Gesetze missachten, sondern um jegliche Andersdenkende und Oppositionelle. Eine Heil-Kunde der anderen Art.